Seelenworte

Reden wir einmal über Craig Ferguson und die Late Late Show

Hallo zusammen!

Lasst uns doch mal über Craig Ferguson reden – beziehungsweise konkret über seine Zeit als Host der Late Late Show im amerikanischen Fernsehen. Ja, ja ich weiß, ist ein weirdes Thema, aber glaubt mir, es führt wo hin.

(Apropos, wie schon im letzten Beitrag hier geschrieben, priorisiere ich gerade mein Privatleben etwas höher als sonst, weshalb es hier ein wenig ruhiger bleibt – es geht aber weiter, keine Sorge. Das ist auch der Grund, warum dieser Artikel etwas hinter meinem eigenen Plan erscheint – ich hatte eigentlich vorgehabt, ihn am 28. April zu veröffentlichen, genau 10 Jahre nach Fergusons Ankündigung, die Show abzugeben. Oh well.)

Ich weiß nicht mehr genau, wann ich damals das erste Mal auf die Late Late Show gestoßen bin. Es dürfte irgendwie so 2010 gewesen sein, schätze ich. Und auf den ersten Blick scheint’s nichts Besonderes zu sein – es ist das klassische Late-Talk-Format aller Conans und Seth Meyers und co.
Ein Mann im Anzug, ein Monolog zu Beginn der Sendung, prominente Gäste anlässlich aktueller Veröffentlichungen. Ich bin sogar recht sicher, ich bin über irgendeinen Gast auf einen YouTube-Ausschnitt gestoßen und darüber hängen geblieben.

Eine Sache aber, bei der ich mich konkret erinnere, wie sehr sie sofort Eindruck hinterlassen hat, ist eine Geste, die sich durch alle Folgen damals zog – wie jeder Talkshow-Moderator hatte Ferguson diese klassischen Karteikarten mit den Fragen für die Promi-Interviews. Fragen, die ja häufig bei den größeren Prominenten durchaus handverlesen und gegengeprüft sind.
Doch anders als jeder andere Talkshow-Moderator hatte Craig Ferguson es sich zur klaren Geste gemacht, zu Beginn des Gesprächs eben jene Karten zu zerreißen. Jedes einzelne Mal. Es war zum einen ein Affront gegen die Genrekonventionen seines Formats, aber es war auch immer ein Versprechen zur Art der folgenden Unterhaltung.

Das demonstrative Zerreißen der Gesprächs-Karten, hier mit Gästin Taylor Schilling.

Und die Interviews waren auch so – häufig gefühlt ziellos, nahezu immer nicht über die neue Show, den neuen Film, das neue Album der Gäste, oftmals etwas zotig und immer zu einem spannenden Maße chaotisch.

Genau dieses Chaos aber ist etwas, was in der Sendung Konsistenz hatte. Konsistenz in einem Maße, die selbst aus heutiger Sicht – und besonders für lineares Fernsehen der frühen 2010er – schon geradezu krawallig wirkt.
Man könnte etwa erwähnen, dass zwar auch Ferguson einen Sidekick hatte, wie es das Format verlangt, aber Fergusons Sidekick war ein schwules Roboterskelett namens Geoff, von dem großartigen Grant Imahara gebaut und phantastisch von Josh Robert Thompson eingesprochen. Wenn Craig dann gemeinsam mit Geoff Twitter-Zuschauerfeedback beantwortet hat, wird deutlich, was ich mit dem erwähnten Wahnsinn meine:

Ich habe dann noch nicht erwähnt, dass als ein zweiter Sidekick im Laufe der Sendung das „Pferd“ Secretariat hinzugekommen ist, dessen bloßer Anblick eigentlich alles sagt.
Und schon bevor dieser ganze Wahnsinn Zugang zur Sendung fand, gab es etwa Cold-Open-Anmoderationen durch Handpuppen wie ‘Sid, the cussing bunny’, die für mich auch klare Vertreter von „Wie konnte er damit im Fernsehen durchkommen?!“ sind.

Aber durchgekommen ist er – über 2.000 Folgen der Sendung wurden mit Craig Ferguson als Host ausgestrahlt. Dass manches davon etwas krude gealtert ist und einige Gags heute auch ein wenig schwierig sind, geschenkt, müssen wir nicht drüber reden. Doch Spuren hinterlassen hat die Sendung bei mir.

Als ich damals an meiner Abschlussarbeit für die Uni schrieb, in einer emotional insgesamt sehr belastenden Phase meines Lebens, war die Late Late Show ein wenig ein Anker für mich. Es war zwar meist die Folge vom Vortag, die schließlich den Weg gen YouTube fand – aber das reichte ja. Und nach einem anstrengenden Tag die Füße dann hochlegen, eine Tasse Heiße Zitrone in der Hand, und in die Sendung starten, das ist eine starke Erinnerung für mich. Eine, die ich noch immer geradezu spüren kann, wann immer der Theme Song an mein Ohr dringt.

Apropos, genau, die Sendung hat ein Theme, ebenfalls von Ferguson (mit-)geschrieben und gesungen, und auch dessen Text fügte sich in das Gesamtbild, wenn es dort hieß …
It’s hard to stay up
It’s been a long long day
And you’ve got the sandman at your door
But hang on
Leave the TV on
And let’s do it anyway
It’s okay
You can always sleep through work tomorrow
Okay, Hey hey
Tomorrow’s just your future yesterday

Gerade diese letzte Zeile, „Tomorrow’s just your future yesterday“, ist pures Gold, finde ich.
Und in gewisser Weise finde ich es auch darum schade, dass so viel von dem, was damals gemacht wurde, in modernen YouTube- und Social-Media-Clips reduziert wird auf seine anrüchigsten Zoten und seine nicht immer zweideutigen Zweideutigkeiten im Umgang mit Gästen. Denn ja, das war Teil der Sendung, natürlich. Gerade mit weiblichen Gästen wandelte Ferguson oftmals gefährlich zwischen offensivem Flirt und creepy old man. Es gibt genau eine Frau in meinem Leben, bei der ich mir solch unverblümte Kommentare herausnehmen würde; Ferguson zelebrierte das vor Millionenpublikum.

So zotig es jedoch manchmal wurde, ich halte es für absolut fatal, es darauf zu begrenzen – denn die für mich größten Momente hatte die Show, wenn sie in ganz andere Bahnen entgleiste. Da war etwa die großartige Sendung, als das Studiodach leckte und Craigs anhaltendes, improvisiertes Schimpfen über die Zustände bei CBS die Sendung komplett dominiert hat. Wobei selbst das natürlich letztlich Spaß war.

Aber Spaß war es eben nicht immer.

Es ist natürlich nicht *Sid*, aber ein identisches Modell der Handpuppe …

Denn wer wirklich wissen möchte, warum ich diese Sendung so feiern kann – neben dem schwulen Roboterskelett und dem fragwürdigen „Pferd“, neben den Handpuppen (erwähnte ich, dass ein Sid in meiner Bibliothek wohnt?), neben den Zoten und flotten Sprüchen – der sollte den Nachruf schauen, den Ferguson auf seinen zuvor verstorbenen Vater gehalten hat. Sehenswert und anrührend selbst trotz der untragbaren Bildqualität, ebenfalls zur normalen Sendezeit, einfach mitten im regulären Programm veröffentlicht, und zu Recht damals für einen Emmy nominiert:

Es war nicht die einzig ernste Note in den Jahren der Show. Ferguson positionierte sich deutlich dagegen, Brittney Spears zum Ziel für Spott zu machen als es ihr schlecht ging, und er redete oft und offen über seinen eigenen Kampf mit dem Alkohol. Er fand klare Worte nach dem Anschlag auf den Boston-Marathon und zelebrierte Desmond Tutu für seinen Kampf gegen die Apartheid.
Wenn wir im DORPCast über ernste Themen sprechen, Burnout, Pandemie oder Krieg etwa, dann kommt das zumindest auf meiner Seite zu einem gewissen Maße durch diese Show hier. Ich denke nicht, dass es da viel gibt, was ich 1:1 übernommen habe, aber ich kann durchaus sagen, dass etwa der DORPCast ohne die Late Late Show nicht wäre, was er ist. Es diese Freude am ungefilterten Humbug, die hat mich schon geprägt. Und sicher, wir haben auch heute politische Talkshows, auch politische Late-Talk-Shows. Aber das ist ein wenig der Punkt: Die Late Late Show war im Herzen nicht politisch. Sie konnte es dennoch sein, wenn es Not tat.

Denn bei allem Ulk, bei allem Chaos – die Late Late Show war vor allem auf eine Art ungefiltert, die reguläres Fernsehen eigentlich nicht ist, und vor allem damals nicht war. Sie hatte eine ungeschmirgelte Direktheit, unterstrichen von Fergusons dickem schottischen Akzent, die so unendlich weit entfernt scheint von der heute so gelackten, geplanten, koordinierten Welt der Influencer, der Sponsoring-Deals, der Algorithmus-getriebenen Marktanalysen.

Insgesamt, so kann man es vielleicht herunterbrennen, war die Late Late Show ein chaotisches Bündel anarchistischen Irrsinns mit zotiger Note, und bisweilen mit einem emotionalen Kern, der einen regelrecht aus der Bahn werfen konnte.
Und wenn das keine gute Metapher für den Unsinn ist, den wir gemeinsam das Leben nennen … ja dann weiß ich auch nicht.

Viele Grüße,
Thomas